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Liebe auf Abwegen: Fremdgehen

Fremdgehen passiert leider häufiger als wir denken und wahrhaben wollen.

Für den Betrogenen ist Fremdgehen immer ein sehr schmerzlicher Bruch des Vertrauens, der als Verrat an der Beziehung empfunden wird. Für ihn bedeutet dieser Bruch eine tiefe Verletzung, eine Kränkung, die meist große Wut aber auch Angst, Scham, Selbstzweifel und Schuldgefühle auslöst.

Der Partner fühlt sich in der Folge eines Seitensprungs nicht nur als Person, sondern auch in der eigenen Weiblichkeit bzw. Männlichkeit und der eigenen Attraktivität infrage gestellt und abgewertet.

Es macht sicher einen Unterschied im Erleben des Betrogenen und in den Auswirkungen für die Beziehung, ob es sich um ein kurzfristiges Ausleben von spontanen Verliebtheitsgefühlen handelt oder ob ein Partner den anderen über lange Zeit hinweg systematisch belügt.

Fremdgehen ist nicht gleich Fremdgehen, es sind sehr unterschiedliche Szenarien vorstellbar. Es kann der einmalige „Ausrutscher“ in einem One-Night-Stand sein oder die kurze leidenschaftliche Affäre mit heftiger Verliebtheit und geheimen Treffen. Es kann auch das Ausleben sexueller Bedürfnisse und Wünsche in regelmäßigen außerehelichen Kontakten sein, ohne dass eine emotionale Bindung entsteht, oder eine längerfristige Zweitbeziehung, die einem Doppelleben gleichkommt. In jedem Fall werden das Vertrauen des Partners und sein Glaube in die Beziehung verletzt sein. Im Fall des langzeitigen Betrugs, wenn zu dem eigentlichen Vertrauensbruch die massive Enttäuschung hinzukommt, – das Bewusstsein, dass man über Monate oder manchmal Jahre hinweg vom Partner hintergangen und belogen wurde – ist die Verletzung sicher sehr viel tiefer.

Mit dem Aufdecken der Außenbeziehung bricht die persönliche Welt des Partners zusammen.

Wie sehr uns das Fremdgehen des Partners persönlich trifft, wird auch von unserer Kultur und damit von unseren inneren Vorstellungen von Liebe und Partnerschaft bestimmt. In unserem Kulturkreis, wo das Ideal der romantischen Liebe vorherrscht und damit die Erwartungen an Treue und dauerhafter Liebe sehr hoch sind, wird Fremdgehen in der Regel als äußerst kränkend erlebt.

Fremdgehen als Alarmzeichen

Auch wenn ein Seitensprung die Basis einer Beziehung tief erschüttert, muss dies nicht zwangsläufig den Bruch der Beziehung bedeuten. In vielen Fällen ist es wahrscheinlich nicht so, dass der Seitensprung etwas zerstört, was vorher vollkommen intakt und für beide zufriedenstellend war.

Oft ist in der Beziehung schon davor etwas zerrüttet, eingeschlafen oder verloren gewesen.

Manchmal übersehen wir die Alarmzeichen, die uns sagen, dass wir mit unserer Beziehung in eine Sackgasse steuern. Manchmal wollen oder können wir sie auch nicht erkennen, weil wir mit anderen Dingen beschäftigt sind, wie z.B. mit Alltagssorgen, dem Beruf, der Kindererziehung etc.

Wenn man es so sehen möchte, ist Fremdgehen dann eine der verletzendsten Arten zu signalisieren: „Wir müssen etwas ändern!“

Es führt uns meist sehr heftig und schmerzvoll vor Augen, dass unsere Beziehung in einer Krise steckt.

Was sind mögliche Hintergründe?

Gerade beim Thema Fremdgehen reagieren wir sehr schnell mit Schuldzuweisungen und moralischen Urteilen. Dies ist zunächst verständlich, weil es eine Reaktion auf die tiefe emotionale Verletzung geben muss.
Wenn wir aber dort stehen bleiben, laufen wir Gefahr, dass wir einer echten Auseinandersetzung innerhalb der Beziehung ausweichen.
Und diese ist notwendig, wenn die Partnerschaft weiterhin eine Chance haben soll. Daher ist es wichtig zu verstehen, was die Hintergründe für das Verhalten des anderen sein könnten.

Jede Liebe, selbst die größte, hat ihre Schwankungen und Krisen. Es gibt keine langjährige Beziehung, in der immer mit der gleichen Intensität geliebt wird, in der wir zu allen Zeiten das gleiche Glück und dieselbe Verbundenheit spüren.
Es ist ein ganz natürlicher Prozess, dass Beziehungen und die Gefühle der Partner sich immer wieder wandeln.
Das Zusammenleben im Alltag mäßigt meist die gegenseitige Idealisierung, die die Verliebtheit am Anfang mit sich brachte. Wenn man sehr lange zusammen ist, wächst zwar die Vertrautheit, aber das Kribbeln, die Leidenschaft und das Gefühl, für jemanden etwas ganz Besonderes zu sein, sie schwinden mit der Zeit.
Unsere Erwartung und Hoffnung, dass der ekstatische Zustand vom Anfang für immer anhalten möge, kann dem Alltag nie standhalten.

Die heimliche Liebe, das Fremdgehen, lässt diesen besonderen und leichten Zustand der Verliebtheit, die Verzauberung, wieder aufleben. Dazu kommen der Reiz des Verbotenen, die verstohlenen Treffen und die Verheimlichung. Dieser Art von Beziehung kommt ein ganz anderer Status zu als einer festen Partnerschaft oder einer Ehe. Das nicht Alltägliche und die Unverbindlichkeit machen die besondere Intensität und die Anziehungskraft einer Affäre aus. Aber auch hier dauern die Verliebtheit und die Leidenschaft nicht ewig an. Viele erkennen dann, dass das tiefe Gefühl, was man über all die Jahre zum Partner entwickelt hat, einander viel mehr verbindet als das Auflodern von Leidenschaft. Affären scheitern daher oft auch, sobald von der Seite der oder des Geliebten mehr Verbindlichkeit eingefordert wird. Das Gefühl von Freiheit, welches diese Form von Beziehung verspricht, entpuppt sich meist als Illusion und ist nur von kurzer Dauer.

Fremdgehen kann auch ein Zeichen dafür sein, dass etwas Wichtiges in der Beziehung fehlt oder nicht mehr gelebt wird. Im Kontakt zu einer anderen Person wird dann nach dem gesucht, was verloren gegangen ist. Vielleicht ist es die Suche nach der Anerkennung und Selbstbestätigung als Mann bzw. als Frau, vielleicht die Suche danach, gebraucht zu werden, nach emotionaler Nähe oder nach gelebter Sexualität. Der treibende Motor ist dann der Wunsch, aus der Routine oder einer zu starr gewordenen Beziehung auszubrechen. Es ist der Versuch, die eigenen Sehnsüchte zu verlebendigen, ohne sich aber der Auseinandersetzung und dem Konflikt mit dem Partner stellen zu müssen. Dabei geht es aber meist nicht nur um die Sehnsüchte desjenigen, der fremdgeht, sondern auch um jene des Betrogenen.

Es gibt aber auch den Fall, dass der Partner immer und immer wieder fremd geht, immer wieder lügt und verletzt. Dies sind oft Menschen, die sich nicht wirklich auf eine Beziehung einlassen, die sich vielleicht auch nicht einlassen können, weil sie schon früh sehr negative Bindungserfahrungen gemacht haben. Mit ihnen zu leben ist schwer und teilweise selbstzerstörerisch. Gerade ihr Streben nach Autonomie und ihre Unverbindlichkeit haben vielleicht eine besondere Anziehungskraft. Der Versuch, solche Menschen zu binden ist aber meist zum Scheitern verurteilt. Ihre Bedürfnisse nach Anerkennung, Bewunderung und nach Selbstbestätigung, sind durch die Eroberung viel leichter zu stillen als in einer festen Partnerschaft.

Fremdgehen hat seinen Preis

Fremdgehen ist oft mit einem hohen Preis verbunden. Was wir dabei aufs Spiel setzen, ist die gemeinsam aufgebaute Welt, die Verbundenheit. Mit unserem Partner haben wir schon viel zusammen durchgestanden, wir haben seine Unterstützung erfahren und viele schöne gemeinsame Erfahrungen gemacht. Wir haben uns ihm anvertraut und kennen ihn und seine Macken sehr gut.

Wer fremd geht, riskiert das alles zu verlieren.

Wer seinen Partner betrügt, muss mit der eigenen Zerrissenheit und den Schuldgefühlen leben und riskiert, diesen (einst) geliebten Menschen massiv zu verletzen. Wenn wir anfangen, ein Doppelleben zu führen, heißt das zudem auch, dass wir mit Freunden und Bekannten nicht mehr wirklich offen sein können. Wir könnten uns verraten. Es beginnt ein Versteckspiel, das auf Dauer sehr zermürbend sein kann.

Kann unsere Partnerschaft das verkraften?

Je nach Szenario können die inneren Möglichkeiten der Partner, mit der Situation umzugehen sehr unterschiedlich sein. Es gibt sicher Situationen, in denen das Vertrauen so tief oder so häufig verletzt wurde, dass das Zusammenbleiben kaum noch denkbar ist. In einigen Fällen kann die Affäre allerdings einen Anstoß zu neuen Entwicklungen in der Beziehung geben. Dafür braucht es auf beiden Seiten die Bereitschaft, eine Auseinandersetzung in der Beziehung und mit sich selbst zuzulassen. Manchmal kann eine zeitlich begrenzte räumliche Trennung hilfreich sein, um selbst klarer zu werden, in Bezug auf die eigenen Gefühle und Wünsche und vor allem auch bezüglich der Frage, ob man die Beziehung überhaupt weiterführen kann und will.

Voraussetzung für eine wirkliche Auseinandersetzung ist die bewusste Entscheidung für den Partner. Beide Partner müssen sich zum anderen bekennen und signalisieren, dass sie bereit sind, die Beziehung zu erhalten und dafür zu kämpfen. Das bedeutet nicht, dass es nicht auch Rückschläge und Zweifel geben darf. Gerade aus Sicht des Betrogenen ist es notwendig, die Einsatzbereitschaft des anderen immer wieder zu überprüfen, um sicherzugehen, dass keine erneute Verletzung droht. Von dem Partner, der fremdgegangen ist, sollte daher auch ein deutliches Zeichen gesetzt werden, dass er sich nun für diese Partnerschaft entschieden hat und den anderen um Verzeihung bittet.

Der Beziehung noch eine Chance geben.

Nach einer solchen Krise wieder zueinanderzufinden und das gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen, ist ein langer Prozess, der manchmal über Jahre andauern kann. Als Partner müssen wir Geduld miteinander haben und uns auf einen mitunter schwierigen und steinigen Weg einstellen. Für eine Annäherung ist es sehr wichtig, sich wirklich Zeit füreinander zu nehmen. Diese Zeit brauchen wir zum Beispiel für gemeinsame Gespräche. In diesen Gesprächen kann es darum gehen, herauszufinden, was im Vorfeld der Affäre schon zur Entfremdung und zur Ernüchterung der Beziehung beigetragen hat. Dazu gehört, dass beide Partner selbst wieder Zugang zu den Bedürfnissen finden, für die einzustehen sie sich in der Beziehung bisher nicht getraut haben. Vor allem aber sollte es darum gehen, eine positive Vision der Beziehung für die Zukunft zu entwickeln und Wege zu finden diese zu leben. Mindestens ebenso wichtig wie diese Auseinandersetzung ist es, als Paar wieder gute Erfahrungen miteinander zu machen und die Paarbeziehung mit neuem Leben füllen.

Vertrauen ist einer der Grundpfeiler einer guten Beziehung. Der Großmut zu verzeihen ist ein anderer. Seinem Partner im Fall des Ehebruchs bzw. des Fremdgehens zu verzeihen, ist sicher nicht einfach. Wenn die Beziehung noch eine Chance bekommen soll, ist das Verzeihen aber unumgänglich. Zu verzeihen heißt dabei keinesfalls, dass man das gutheißen muss, was der andere getan hat. Verzeihen bedeutet vielmehr, dass wir einen Weg finden, das zu akzeptieren, was nicht mehr ungeschehen gemacht werden kann, auch wenn es uns wehtut. Auch dies braucht sicher einige Zeit, weil wir den Schmerz erst überwinden müssen. Wenn in unseren inneren Monologen und in den Auseinandersetzungen mit dem Partner Anklagen und Schuldzuweisungen noch sehr viel Raum einnehmen und Wut und Rachegedanken immer wieder aufflammen, ist die Rechnung noch offen. Wirklich verziehen haben wir erst, wenn wir unseren inneren Frieden mit dem Geschehenen finden und wir nicht mehr das Gefühl haben, dass es alles infrage stellt, was wir sonst an positiven Erfahrungen mit diesem Menschen gemacht haben.

Es ist sehr ratsam, sich als Paar in einer solchen Situation professionelle Unterstützung zu suchen. Sehr häufig werden durch das Fremdgehen beim hintergangenen Partner frühere persönliche Verletzungen wachgerufen, die es den Betroffenen schwer machen wieder Vertrauen in die Beziehung zu fassen. Eine Paarberatung bietet einen neutralen und geschützten Rahmen, um diese Verletzungen und den aktuellen Vertrauensbruch aufzuarbeiten und einen neuen Umgang miteinander zu lernen.

 

Offenheit ist der erste Schritt.

Bevor es in der Partnerschaft nach dem Seitensprung erneut zu einer positiven Entwicklung kommen kann, muss der Partner zunächst davon erfahren. Auch um der Ehrlichkeit und des Respekts willen sollten wir den anderen nicht in dem guten Glauben lassen, alles sei in Ordnung. Wenn wir den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen für das, was wir getan haben, geben wir dem anderen die faire Chance, entweder für die Beziehung zu kämpfen oder sie zu beenden. Dabei ist es ist auf keinen Fall ratsam, ihn unüberlegt mit der Situation zu konfrontieren. Zunächst sollten wir selbst ein Stück Distanz zum Geschehen bekommen und uns darüber klar werden, welche Bedeutung die Außenbeziehung für uns hat und wie wir zu unserem Partner stehen. Das klärende Gespräch mit dem Partner sollte wohl überlegt und behutsam sein, um dem anderen nicht mehr Verletzung als nötig zuzufügen.

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