Konflikte lösen ohne Krach
Auseinandersetzungen, Streit, Meinungsverschiedenheiten gehören zu einer Partnerschaft dazu. Sicher wünscht sich jedes Paar, Konflikte auf friedliche und konstruktive Weise zu lösen. Doch es läuft so oft ganz anders:
Wir verletzen uns gegenseitig, wir werden laut, kritisieren, machen uns gegenseitig Vorwürfe und suchen einen Schuldigen für unser Problem. Wir hacken auf den Schwächen des anderen herum und versuchen ihn zu verändern. Wir wärmen immer wieder alte Geschichten auf, beharren auf unserer eigenen Sichtweise und wollen Recht bekommen. Oder wir sagen nicht, was uns stört, bis wir vor Ärger fast platzen und können dem anderen nur noch gereizt begegnen. Manchmal reagieren wir auch viel zu heftig auf Dinge, die uns gar nicht treffen sollten, wir fühlen uns durch Kritik abgewertet und gekränkt, fangen an uns zu rechtfertigen und zu verteidigen.
Natürlich wollen die meisten Menschen ganz anders miteinander umgehen. So wie wir uns im Streit selbst erleben, sehen wir uns nicht gern. Gerade in einer Partnerschaft sehnen wir uns nach Harmonie und Geborgenheit, nicht nach Streit und Verletzung. Doch wie oft haben wir schon gemerkt, dass es nicht einfach ist, anders miteinander umzugehen. Immer wieder landet man im selben Gefühlschaos. Das ist nur normal! Jede andere „schlechte Angewohnheit“ können wir auch erst dann aufgeben, wenn wir etwas Neues, Besseres gelernt haben. Weil wir oft alles andere als einen guten Umgang mit Meinungsverschiedenheiten „in die Wiege gelegt“ bekommen haben, handeln wir in Konfliktsituationen immer nach den gleichen Mustern, die immer wieder zum selben Ergebnis führen aber nie zur gewünschten Lösung des Konflikts.
Um miteinander eine geeignete Lösung zu finden, ist es besser wir fragen uns, was wir vom anderen brauchen, und wie wir unsere gemeinsame Welt gestalten wollen. Wenn wir die eigenen Bedürfnisse und die des anderen nicht aus den Augen lassen und auch unsere gemeinsame Lebenssituation und die damit verbundenen Erfordernisse im Blick behalten – was schwierig genug ist! – wird der Weg zu einer gemeinsamen Lösung frei. Auseinandersetzungen können dann durchaus bereichernd für unsere Partnerschaft sein.
Was brauchen wir für eine gute Streitkultur?
Zunächst ist es wichtig, sich als Paar einen Konfliktraum zu schaffen. Meinungsverschiedenheiten können wir nicht zwischen Tür und Angel klären. Unter Zeitdruck entstehen schnell Missverständnisse. Wenn es darum geht, einen gemeinsamen Weg zu finden, muss ich die Möglichkeit haben mit meiner Aufmerksamkeit ganz bei mir und bei Dir sein zu können. Das kann nicht gelingen, wenn ich gerade dabei bin, das Schulbrot für die Kinder zu machen oder wenn ich im Kopf schon längst bei den Aufgaben bin, die am nächsten Tag auf der Arbeit anstehen. Damit wir uns im Gespräch aufeinander einlassen und uns wirklich zuhören können, müssen wir uns füreinander Zeit nehmen und eine Umgebung aufsuchen oder schaffen, in der wir nicht ständig abgelenkt werden.
Ein Konflikt kann nur von den beiden Beteiligten gelöst werden. Wenn zwei Menschen nicht zueinanderfinden, liegt das oft daran, dass es einen Dritten gibt, der in den Konflikt verwickelt und verstrickt ist. Das können Kinder, Freunde, Eltern oder auch Kollegen sein. Oft nehmen wir uns einen Unterstützer oder „Anwalt“ zur Seite, der für uns Partei ergreift anstatt uns zu dabei zu behilflich zu sein sich dem anderen zu öffnen. So wird oft verhindert, dass wir uns wirklich mit unserem Partner auseinandersetzten, uns in unserer Verletzlichkeit zeigen und für unsere Bedürfnisse einstehen.
Damit ein Konflikt nicht in einem verletzenden Streitgespräch endet, ist es hilfreich, ein paar kommunikationspsychologische Tipps zu beachten. Es gibt ein paar einfache Regeln, die Kommunikation in Konfliktsituationen besser gelingen lassen:
Im Hier-und-Jetzt bleiben.
Wenn es einen Konflikt zwischen uns gibt, bringt es nichts darüber zu diskutieren, was war oder was sein wird. Denn das eine kann man nicht mehr ändern und das andere kann man nicht wissen. Es lenkt uns nur von dem ab, was im Augenblick geschieht und nimmt uns damit die Möglichkeit unseren Umgang miteinander zu verändern. Nur wenn wir im Blick behalten:
Wie geht es mir mit Dir? Wie geht es Dir mit mir? Was wollen wir? Wie gehen wir miteinander um?
Dann haben wir als Konfliktpartner die Chance uns wirklich zu begegnen und eine gemeinsame Lösung zu finden.
Haltung des „Verstehen wollens“
Sehr häufig sind verletzende und destruktive Verhaltensweisen im Grunde Ausdruck von eigenem Verletzt-sein oder von der Angst erneut verletzt zu werden. Manchmal stecken auch Scham- oder Schuldgefühle dahinter. Um dennoch im Gespräch zu bleiben, ist es hilfreich, wenn ich das was der andere tut oder sagt nicht direkt persönlich nehme und als Angriff oder Kritik bewerte, sondern mir gemeinsam mit meinem Partner angucke, was eigentlich hinter diesem Verhalten steht: „Auch in schwierigen Situationen, in denen ich Dein Verhalten überhaupt nicht verstehe, werde ich mich bemühen, gemeinsam mit Dir zu erkunden, welche positive Absicht dahinter stecken könne.“
VW-Regel
Eine der wichtigsten Regeln in der Paarkommunikation, vor allem wenn es um Konflikte und Auseinandersetzungen geht, ist die VW-Regel. Das V steht dabei für Vorwurf und W steht für Wunsch.
Die VW-Regel besagt, dass man jeden Vorwurf in einen Wunsch umformuliert.
Vorwürfe sind Gift für die Beziehung und hinderlich, wenn es darum geht, gemeinsam eine Lösung für ein Problem zu finden. Vorwürfe beziehen sich meist auf etwas Schlechtes in der Vergangenheit, was sowieso nicht mehr zu ändern ist und verallgemeinern auf eine schlechte Zukunft. Was man sich für die Zukunft wünscht, wird dabei selten klar.
Wünsche dagegen sind eine wesentlich schonendere Form dem anderen mitzuteilen, was eine stört und was man sich stattdessen erhofft. Wünsche können man auf ganz verschiedene Weise formuliert werden: „Ich würde mich freuen, wenn…/Ich wünsche mir, dass…/Ich möchte gern…/Es wäre mir sehr wichtig, dass…“
Das Verhalten statt die Person kritisieren.
Manchmal kann Kritik angebracht und gerechtfertigt sein. Damit Kritik wirklich ankommt und zu positiven Veränderungen führt, ist es wichtig ganz konkret dasjenige Verhalten zu kritisieren, das einen stört. Häufig passiert es uns im Streit, dass wir Dinge sagen, die die Person als ganze kritisieren: „Wie kann man nur so blöd sein!“ oder „Kannst Du nicht einmal etwas richtig machen?!“.
Schnell fühlt sich der andere als Person abgewertet, fühlt sich verletzt und angegriffen. Dann wird es ihm kaum noch möglich sein, den Veränderungswunsch herauszuhören und danach zu handeln. Bei der Formulierung der Kritik sollten leere Worte immer durch konkrete Beschreibungen ersetzt werden.
„Du bist so was von schlampig!“
durch
„Wenn du Dir abends noch, was zu essen kochst, lässt Du häufig das Geschirr stehen und schmeißt die Abfälle nicht weg. Das ärgert mich, weil ich mich in einer so unordentlichen Küche dann nicht mehr wohlfühle und ich morgens extra früher aufstehen muss, um deine Sachen beiseite zu räumen. Ich würde mich freuen, wenn du in Zukunft…“
Verallgemeinerungen sind Kommunikationskiller.
„Immer musst Du…!“ und „Nie machst du…!“
Solche Sätze wollen wir nicht von unserem Partner hören. „Immer“ und „nie“ stimmen in Zusammenhang mit einem Verhalten so gut wie nie. Genau wie Vorwürfe versperren sie aber den Weg in eine gute Zukunft. Wenn wir solche Worte entgegen geschleudert bekommen, können wir meist schon nicht mehr offen seine für ein Gespräch, wir wollen dann gar nicht mehr hören, was der andere uns zu sagen hat. Uns fällt es hingegen viel leichter, die Argumente und Wünsche unseres Partners anzunehmen, wenn dieser die konkreten Vorfälle beschreibt, die ihn verärgert haben und Verallgemeinerungen vermeidet.
Ganz wichtig: Wertschätzung
Bei aller Kritik am Partner vergessen wir oft das wertzuschätzen, was der andere uns gibt, was er bisher schon macht oder bisher auch schon geändert hat. Es bringt uns nicht weiter, wenn wir uns gegenseitig schwächen, indem wir uns Vorwürfe machen. Ein gutes und produktives Gespräch entsteht vor allem dann, wenn wir einander Anerkennung und Wertschätzung entgegenbringen.
All diese Punkte gelten natürlich nicht nur für die Kommunikation in der Partnerschaft, sondern sind in jeder Konfliktsituation gut anzuwenden.